Kinder ohne Rechte

(Bildnachweis: Tristram Brelstaff/ flickr.com/ CC)

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Kinderrechte sind nicht im Grundgesetz verankert. Dabei würden sie erheblich zum Schutz von Kindern beitragen und die Stimme zukünftiger Generationen stärken.

„Ein Mindestalter ist nicht erforderlich.“ So hat der Bundesgerichtshof im Januar 2015 entschieden. Das Urteil verändert nicht nur die Rahmenbedingungen der anonymen Samenspende, sondern setzt auch ein Zeichen für die Stärkung der Kinderrechte. Geklagt hatten zwei Mädchen im Alter von 12 und 17 Jahren. Sie wollten den Namen ihres biologischen Vaters erfahren, bekamen diese Auskunft von einer Reproduktionsklinik jedoch verweigert. Dem Gerichtsurteil zufolge haben Kinder aber grundsätzlich Anspruch auf Klärung ihrer Herkunft: Das Recht der Kinder habe ein ganz erhebliches Gewicht.

Dass die Rechte von Kindern in allen Lebensbereichen gestärkt werden, dafür kämpfen viele Vereine und Institutionen. So auch der Deutsche Kinderschutzbund. In seinem „Kinderreport 2015“ sprechen sich 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen sowie 69 Prozent der Eltern für eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz aus. So wie es die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen fordert, welche in der BRD seit 1992 gilt. Doch warum kommt die Regierung dieser Verpflichtung nicht nach?

Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz bringt viele Vorteile. Statt an die Landesverfassungen ihrer Heimatbundesländer gebunden zu sein, könnten die Rechte der Kinder bundesweit leichter und nachdrücklicher eingefordert werden. Handlungsbedarf gibt es schließlich in vielen Bereichen. Zum Beispiel bei der Situation von Flüchtlingskindern, bei Beteiligungsmöglichkeiten sowie beim Schutz vor Gewalt und Verwahrlosung. Fälle wie das Schicksal von Yagmur aus Hamburg, Lea-Sophie aus Schwerin oder Zoe aus Berlin führen uns dies immer wieder vor Augen.

Auch Familienministerin Manuela Schwesig hat diese Problematik erkannt und möchte die Kinderrechte in das Grundgesetz aufnehmen. Doch die Unterstützung von CDU/CSU bleibt aus. Der Koalitionspartner sieht die Rechte der Kinder durch die allgemeinen Menschenrechte ausreichend abgedeckt. Einen Antrag der SPD-Fraktion, das Grundgesetz zugunsten der Kinderrechte zu ändern, lehnte schon die schwarz-gelbe Koalition ab. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norbert Geis (CDU/CSU) beispielsweise war der Meinung, es sei nicht notwendig, die Kinderrechte eigens ins Grundgesetz zu schreiben. Es ginge dabei um den Schutz des Elternrechts. Schließlich sei die Sorge der Eltern für ihre Kinder deren elementares Recht.

Genau hier liegt aber das Problem: Das Grundgesetz enthält nur Aussagen über, nicht für Kinder. Die Schwächsten unserer Gesellschaft werden vom Grundgesetz nur im Rahmen der Elternrechte genannt. Kinder dürfen aber nicht nur als Teil einer Familie betrachtet werden: Sie müssen als eigenständige Menschen wahrgenommen werden.

Laut CDU/CSU hätte eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz lediglich symbolischen Wert. Stimmt, eine gewisse Symbolik hätte diese Gesetzesänderung. Eine sehr bedeutsame sogar. Sie wäre ein Zeichen für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Kindern würden mehr Beteiligungsrechte zugestanden werden, sie hätten die Chance, die Zukunft des Landes, in dem sie leben und auch als Erwachsene noch leben möchten, mitzugestalten. Doch dieses Signal ist den Christdemokraten nicht wichtig genug.

Ein Symbol kann als Beglaubigungszeichen zwischen Vertragspartnern verstanden werden. Einen Vertrag mit Kindern beziehungsweise mit den jungen Generationen abzuschließen, scheint der Union jedoch nicht lohnenswert. Schließlich erwartet man vom Vertragspartner auch immer eine Gegenleistung. Und was könnten Kinder einer Volkspartei da schon Erstrebenswertes anbieten? Wählerstimmen jedenfalls nicht.

 

Dieser Text ist in abgeänderter Form zuerst erschienen als Kolumne „Die Jugend von heute“ bei The European.