Arbeitnehmerrechte stärken

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(Bildnachweis: gato-gato-gato/flickr.com/CC)

Wenn Gewerkschaften endlich wieder lautstark in den Arbeitskampf ziehen, sollten sich Arbeitnehmer landesweit solidarisch zeigen.

Das Frühjahr 2015 ist eine bewegte Zeit in der Bundesrepublik. Staatliche Kitas stehen leer, denn die Erzieherinnen streiken. Die Lokführer treten in „Megastreiks“. Postzusteller legen ihre Arbeit nieder. Und schließlich der Albtraum jedes Kapitalisten: Ein Geldtransport-Unternehmen verweigert die Arbeit, Geldautomaten in Berlin und Brandenburg spucken kein Bares mehr aus.

Wirtschaftsverbände schlagen Alarm: Dass so viele Arbeitstage aufgrund von Streiks ausfallen, kam zuletzt vor zehn Jahren vor. Konservative Medien spotten über GdL-Chef Claus Weselsky: „Mehr Geld fürs Nichtstun“ heißt es, oder „Bestreikt den Streik“. Ein Autor der „FAZ“ sorgt sich gar um den deutschen Wohlstandskuchen. Das Land ist in Aufruhr. Der Arbeitskampf ist ausgebrochen. Endlich!

Nein, der Bahnstreik macht betroffenen Pendlern keinen Spaß. Sicher auch nicht den Unternehmen, die auf Lieferungen aus dem Güterverkehr angewiesen sind. Dennoch sollten alle Betroffenen statt Wut und Spott für die Streikenden endlich etwas Solidarität empfinden. Seit Jahren wächst das Einkommensgefälle in Deutschland. Während die Gehälter in manchen Branchen wie dem Bankensektor und der Pharmaindustrie stetig steigen, tut sich beispielsweise auf den Lohnabrechnungen in der Dienstleistungsbranche häufig jahrelang nichts. Warum aber sollte eine Erzieherin nicht auch mehr Geld verdienen dürfen? Ihre Arbeit ist schließlich nicht weniger wert als die eines Bankers.

Lange war es ruhig um sie, doch jetzt sind die Gewerkschaften auf die Straßen zurückgekehrt. Sie kämpfen lauter und offensiver denn je. Dabei ist es um die Arbeitnehmervertretung in unserem Land nicht gut bestellt. Das geplante Tarifeinheitsgesetz sowie das Handelsabkommen TTIP drohen die Handlungsfreiheit der Gewerkschaften einzuschränken. Hinzu kommen die rückläufigen Mitgliederzahlen. (Das tut übrigens sogar Katja Suding leid – „ganz ohne Häme“ .) Weniger Mitglieder haben für die Gewerkschaften weniger Personal zur Folge – und somit auch weniger Spezialisten für einzelne Branchen.

In manchen Bereichen sind die Gewerkschaften deshalb etwas veraltet. Doch selbst in Berufen, die durch den flexiblen Arbeitsmarkt und die Digitalisierung entstanden sind, tut sich etwas. Die IG Metall kümmert sich jetzt mehr um die IT-Branche und um selbstständige Crowdworker. Wenn der Arbeitsplatz nicht mehr an ein festes Büro gebunden ist und die Arbeitszeit flexibel gestaltet werden kann, sind Rahmenvereinbarungen zu Überstunden und Bezahlung besonders wichtig. Es braucht Interessenvertreter auf Arbeitnehmerseite. Wie diese für die Arbeit der Zukunft aussehen wird, bestimmen wir größtenteils selbst. Ob wir uns einfach mal an der nächsten Betriebsratswahl beteiligen, zumindest gegenüber den Streikenden solidarisch sind oder gleich eine eigene Gewerkschaft gründen – die Arbeitnehmervertretung braucht Mitstreiter.

Ja, Arbeitskampf kann ganz schön unbequem sein. Doch was beim Schimpfen über die Gewerkschaften oft vergessen wird: Wir brauchen ihren Einsatz, damit unsere Rechte als Arbeitnehmer gestärkt und die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, verbessert werden. Und wir alle haben in der Vergangenheit von ihnen profitiert. So verdanken wir ihnen zum Beispiel unser Wochenende, welches sie in den 60er-Jahren erkämpft haben. Ja, ohne Streik wäre alles viel unkomplizierter. Doch Streiks sind so lange nötig, wie Menschen unter ungerechten Arbeitsbedingungen leiden. Solange Arbeitgeber sich nicht an Tarifverträge halten, die Löhne ihrer Mitarbeiter nicht angemessen erhöhen, Frauen und Männer unterschiedlich bezahlen, oder ihre Angestellten dazu verpflichten, immer mehr Leistung in immer kürzerer Zeit zu erledigen. So lange muss gekämpft und notfalls gestreikt werden. Verantwortlich für die Streiks sind also nicht alleine Arbeitnehmer und Gewerkschaften.

Dieser Text ist in abgeänderter Form zuerst erschienen als Kolumne „Die Jugend von heute“ bei The European.