Engagierte Jugend: Johanna findet, Engagement muss nicht für alle sichtbar sein
Von wegen uninteressierte, unpolitische Jugend. Das Engagement der jungen Leute ist heute vielleicht nicht so sichtbar wie in der 68er-Generation, aber es findet statt. Knowing (wh)Y zeigt einige Beispiele. Den Anfang macht Johanna. Johanna Langhans ist 26 Jahre alt. Sie gehört zur Generation Y. Als Studentin (Marketing und Personal) und in einer Großstadt lebend (Berlin), zählt sie sogar zu der Gruppe junger Leute, die am liebsten von Instituten und Beratungsfirmen für ihre angeblich repräsentativen Umfragen zur Generation Y analysiert werden. Und doch entspricht Johanna nicht der Schablone, in die Mitglieder der jungen Generationen gerne gezwängt werden. Denn: Johanna engagiert sich.
Seit November 2014 ist Johanna bei „Über den Tellerrand kochen e.V.“ aktiv. Der Verein organisiert Kochkurse und „Community-Events“, bei denen Flüchtlinge mit Einheimischen zusammen kochen, essen, sich austauschen. Auch ein Kochbuch hat der Verein bereits veröffentlicht: „Rezepte für ein besseres Wir“ – mit Rezepten aus der Heimat von Flüchtlingen und den Lebensgeschichten der Köche. Alle Aktionen des Vereins haben eines gemeinsam: Essen. Denn das verbindet, fand die Gruppe Studenten, die sich 2013 im Rahmen eines Uniprojektes mit Flüchtlingen am Berliner Oranienplatz über deren Lieblingsgerichte austauschten. Aus der Idee, gemeinsam zu kochen, sind viele Projekte entstanden, die jetzt alle im Verein „Über den Tellerrand kochen“ gebündelt werden.
Johanna war nicht von Anfang an dabei. Eine Freundin hat sie mit zu einem der Kochevents genommen. In entspannter Atmosphäre kamen dort viele junge Leute zusammen, in verschiedenen Kochnischen wurden deutsche, arabische und afrikanische Speisen zubereitet. Wer Flüchtling, wer einheimisch oder zugezogen ist, wusste gar niemand so genau. Diese Stimmung ermöglichte es, ganz locker mit jungen Geflüchteten ins Gespräch zu kommen. Bei den Kochevents entstehen Freundschaften, die weit über so etwas wie „Flüchtlingshilfe“ hinausgehen. „Hier kann jeder seine eigene Persönlichkeit darstellen, statt isoliert in einer Flüchtlingsunterkunft zu sitzen“, erklärt Johanna. Das Konzept des Projekts hat die 26-Jährige überzeugt. Sie fing an, sich um den Blog und die Social Media Kanäle des Vereins zu kümmern. Ehrenamtlich.
Mittlerweile verbringt Johanna immer mehr Zeit bei „Über den Tellerrand kochen e.V.“ „Die Leute hier sind mein fester Freundeskreis geworden“, erzählt sie. Seit neun Monaten koordiniert die Studentin alle Ehrenamtlichen, seit kurzem bekommt sie dafür sogar ein bisschen Geld. „Ich hätte es auch ohne Bezahlung weitergemacht“, beteuert Johanna, „aber so kann ich mir Studentenjobs, zum Beispiel als Messehostess sparen, und die Zeit stattdessen in etwas sinnvolles investieren.“ Dabei war Johanna gar nicht auf der Suche nach einem Job oder Ehrenamt, als sie 2014 zum ersten Mal zu einem Kochevent von „Über den Tellerrand kochen“ kam. Doch zur selben Zeit drehte sich in den Medien alles um das Thema Flüchtlinge. „Ich war einfach froh, hier endlich einen ganz eigenen Zugang zu diesem Thema zu finden“, erinnert sie sich, „und dann noch in einem so schönen Rahmen.“
Johanna, was willst du mit deinem Engagement bewirken?
Bei „Über den Tellerrand kochen“ können Geflüchtete Beziehungen aufbauen – zu anderen Geflüchteten und Einheimischen. Sie bekommen so endlich einen Zugang zu einem sozialen Netz. Da hat unser Projekt schon einige kleine Erfolgsgeschichten geschrieben.
Hast du dich zuvor schon einmal ehrenamtlich engagiert?
Während meines Auslandsaufenthalts in Argentinien habe ich bei Amnesty International mitgeholfen.
Abgesehen vom „Über den Tellerrand kochen“-Team: Wie engagiert sind deine Freunde und Bekannte?
Viele meiner Studienkollegen engagieren sich. Sie wollen die Zeit, die sie während dem Studium und vor dem Arbeitsleben haben, sinnvoll nutzen.
Woher kommt deiner Meinung nach dann das Vorurteil, die Jugend von heute sei uninteressiert und engagiere sich nicht?
Ich denke so ein Vorurteil entsteht, weil man die ehrenamtliche Arbeit nicht immer sieht. Die meisten Ehrenamtlichen sprechen ja nicht dauernd über ihr Engagement. Es geht ihnen nicht darum, dass ihre Hilfe sichtbar für alle ist. Ehrenamt ist meist sehr bescheiden.
Was bringt dein Engagement denn für dich als Ehrenamtliche?
Es ist toll, zu sehen, dass schon ein klein wenig Engagement so viel bewegen kann. Anderen zu helfen ist sehr bereichernd.